Ich möchte gern einen Satz vorweg schreiben. Damit diese Bilder kein falsches Bild erzeugen bei Menschen, die von Anfang an digital fotografieren und die analoge Fotografie nur noch vom Hörensagen kennen. Es ist ein „Ja, aber“-Satz. Diese Art von Sätzen habe ich schon als Kind sehr häufig gebraucht. Und schon damals wurde mir das zum Vorwurf gemacht. Die Situation ist seitdem nicht besser geworden. „Ja, aber“-Sätze sind fast immer zu lang für Twitter, meistens zu klug für Facebook und nicht selten zu wahr, um die halbe Welt begeistert ihre Zustimmung herauskrakeelen zu lassen mit den Worten: „Hab ich‘s doch gleich gesagt!“
Hier kommt der Satz: Ja, diese mit einem analogen Fotoapparat aus den 60ern auf Kleinbildfilm aufgenommenen Schwarz-Weiß-Fotos sind extrem grobkörnig und gar nicht so spitzenmäßig scharf, aber das heißt nicht, dass mit einem analogen Fotoapparat aus den 60ern auf Kleinbildfilm aufgenommene Schwarz-Weiß-Fotos nicht auch ganz feinkörnig und knackscharf aussehen können.
Das war der „Ja-aber“-Satz. Lang, kompliziert und müsste jetzt wohl auch noch näher erklärt werden. Na, toll! Wer hat da noch Lust weiterzulesen? Stattdessen hätte man auch in unter 140 Zeichen schreiben können:
WTF! Filmkorn wie Hagelschlag! Diesen krass grobkörnigen Vintage-Look bekommst Du mit Opas alter Analog-Knipse!
So ist‘s besser. Siehst du, Martin [Ich rede mit mir selbst; Anm. des Selbstredners], du kannst es doch. Du musst es nur wollen.
Und so wird‘s gemacht: Einen Schwarzweißfilm mit der Empfindlichkeit 400 ISO in eine analoge Kamera einlegen. Und den Film so belichten, als hätte er eine Empfindlichkeit von 1600 ISO. Das heißt den eingebauten oder externen Belichtungsmesser (zum Beispiel eine Handy-App) falsch auf 1600 ISO einstellen und sich nach dem richten, was er anzeigt. Auf diese Weise werden die Bilder um zwei Blendenstufen unterbelichtet. Anders ausgedrückt: Es kommt nur ein Viertel des Lichts auf den Film, das für eine korrekte Belichtung nötig wäre. Das gleicht man später bei der Entwicklung wieder aus, indem man den Film länger in der Entwicklerchemikalie stehen lässt als eigentlich vorgesehen. So entstehen wieder richtig belichtete Negative, die allerdings grobkörnig sind und starke Kontraste aufweisen. Diese Technik nennt man: einen Film pushen.
Das habe ich also gemacht. Und zwar deshalb, weil ich mir dachte, dass so ein dreckiger Look passend zum räudigen grauen Berliner Spätwintertag ganz schön hässlich-schön sein könnte und die Stimmung der Fotos unterstützt. Außerdem hatte ich keine Lust ein Stativ mitzuschleppen, und mit einer Lichtempfindlichkeit von 1600 ISO geht auch in der Dämmerung einiges aus der Hand. Mit den Ergebnissen bin ich im Moment ganz zufrieden. Obwohl ich ehrlich gesagt ziemlich viel falsch gemacht habe. Ich habe nämlich auf einen Belichtungsmesser komplett verzichtet und die Belichtung nach Augenmaß geschätzt. Eine schöne Übung. Ich konnte dabei lernen, dass man in der Dämmerung kaum merkt, wie verdammt dunkel es tatsächlich schon geworden ist. Denn das Auge stellt sich – ich hätte es wissen müssen – allmählich auf das abnehmende Licht ein. Ich habe die meisten Bilder auf dem Film deshalb noch deutlich mehr unterbelichtet als ohnehin schon geplant. Das Digitalisieren der Negative lief auch nicht ganz nach Plan, aber das Thema hebe ich mir mal für einen anderen Blogbeitrag auf.