Naturfotos im Früh-Frühling

Am 8. März, dem gefühlt ersten Frühlingstag begab ich mich in meine Lieblingsnatur, den Spandauer Forst. Ich wollte sehen, ob an Reptilien und Insekten schon irgendetwas lebendig war, ging aber eher davon aus, dass dem nicht so sein würde. Darum nahm ich auch nicht mein geliebtes 90-mm-Makro-Objektiv zum Fotografieren mit, sondern mein nicht ganz so geliebtes 70-210-mm-30-Euro-Ebay-Tele-Schiebe-Zoom. Ich spekulierte eher auf größere Tiere mit höheren Fluchtdistanzen und Vögel. Und wenn das nichts werden sollte — nicht weitersagen, aber eigentlich ist so ein Teleobjektiv die Geheimwaffe für Landschaftsaufnahmen.

Im letzten Jahr hatte ich zum ersten Mal Kraniche im Spandauer Forst entdeckt. Und was soll ich sagen: Dieses Mal begegneten sie mir gleich in Massen. Und ich hatte sogar noch mehr Glück. Das merkbefreite Damwild äste wieder an der Stelle direkt vor diesem Hochsitz. Müssen die Jäger im Spandauer Forst eigentlich überhaupt noch was tun oder schießen sich die Viecher inzwischen schon selber? Liebes Damwild, man sagt, ihr sollt sehr gut riechen, hören und okay sehen können. Gut, riechen bringt nichts, wenn der Wind schlecht steht, da könnt ihr nichts für. Gehört habt ihr mich ja (erwähnte ich schon, dass mein 70-210-mm-30-Euro-Ebay-Objektiv aus einer Zeit stammt, in der ein Autofokus der neuste Schrei war, weshalb die Hersteller ihn extra laut gemacht haben, damit man ihn auch 200 Meter weiter noch hören kann). Und dann habt ihr immer so geguckt, wenn ihr mich gehört habt. Aber überlegt doch mal: Wenn ihr euch mitten in die Sonne stellt und ich stehe mit meiner dunklen Jacke im Schatten zwischen den Baumstämmen und bewege mich gerade schlauerweise mal nicht. Dann wird es halt schwierig mit dem Sehen.

Nein, im Ernst, mir soll es recht sein. In die Nähe von so mittelscheuen Tieren zu kommen, ist ein tolles Erlebnis. Auch wenn es dann doch nur zu mittelmäßigen Fotos reicht bei meiner Ausrüstung (210 mm sind eigentlich zu wenig Tele auch am APS-C-Sensor und ein Kontrast- und Schärfewunder ist dieses Objektiv nicht) und — ich gebe es ja zu — geringen Erfahrung mit dieser Art von Tierfotografie. Solche Tierbeobachtungen machen Lust, weiter zu üben.

Gar nicht scheu waren die beiden Pferde am Weidezaun. Die haben sich richtig gefreut, mich zu sehen. Wie sehr sogar, habe ich dann erst bemerkt, als ich noch einmal diesen anderen Blickwinkel probieren wollte.

Und ja, eine erste Eidechse war auch schon aus der Winterstarre zurück.

Lochkamera-März

Manche haben es vielleicht noch aus Grundschulzeiten in Erinnerung, aus der Lektüre von „Was ist Was?“-Büchern oder aus der Sendung mit der Maus: Wenn man in einem Raum (=Camera) die Fenster lichtdicht mit einem schwarzen Vorhang verhängt und so alles dunkel (=obscura) macht und dann in der Mitte ein kleines Loch in den Vorhang schneidet, wird auf die gegenüberliegende Wand dieser Camera Obscura ein auf dem Kopf stehendes Bild von dem, was sich vor dem Fenster befindet, projiziert. Es muss kein ganzer Raum sein, es reicht auch eine Kiste mit einer Mattscheibe an ihrer Rückseite. Das Prinzip war an vielen Orten der Welt schon vor Hunderten Jahren bekannt und wurde zum Beispiel in der Malerei genutzt. Die Entwicklung lichtempfindlicher Materialien, auf denen sich das Projizierte festhalten ließ, gelang allerdings erst im 19. Jahrhundert. Das war die Erfindung der Fotografie.

Anstelle einer einfachen Lochblende kann auch eine Linse (oder eine komplexe Anordnung mehrerer Linsen, ein Objektiv) in die Öffnung der Camera gebaut werden. Linsen bündeln das Licht auf der Projektionsfläche. Sie erzeugen ein schärferes Bild und erlauben wesentlich größere Blendenöffnungen, die mehr Licht auf einmal in die Camera lassen. Sie müssen aber auch fokussiert werden. Nur eine Ebene des Abgebildeten ist wirklich scharf, alles was davor und dahinter liegt, verschwindet, je nach Größe der Blende mehr oder weniger schnell, in Unschärfe. Eine Lochkamera dagegen bildet alle Ebenen gleich scharf ab, nirgends jedoch so scharf wie ein Objektiv die Ebene, auf die es scharfgestellt wurde. Diese durchgehend gleichmäßige Schärfe beziehungsweise Unschärfe macht die besondere Ästhetik von Lochkameraaufnahmen aus. Sie verleiht den Bildern häufig etwas Unwirkliches, als seien es Bilder aus einem Traum. Unser Auge funktioniert eher wie ein Objektiv, das wir auf die Gegenstände, die wir betrachten, scharfstellen. Ein Lochkamerafoto ist deshalb weiter weg von unseren alltäglichen Sehgewohnheiten als eine Aufnahme mit einem Fotoapparat mit Objektiv. Außerdem ist das Fotografieren mit einer Lochkamera ein völlig anderes Erlebnis. Dadurch dass das Loch so klein ist, muss viel länger belichtet werden. Man arbeitet also praktisch immer mit einem Stativ. Bewegte Motive verschwimmen auf dem Bild oder werden ganz unsichtbar. Weder der Prozess des Fotografierens mit einer Lochkamera noch das Ergebnis lassen sich mit digitalen Effekten in der Bildbearbeitung imitieren.